Die Welt und so


Barack Obama hat also den Friedensnobelpreis gewonnen.
Die allgemein Frage dazu lautet: „Wofür?“

Eigentlich wollte ich schon am Freitag etwas dazu schreiben, im Sinne von „Super, dann erkläre ich jetzt einfach, dass P=NP ist und ich das irgendwann auch beweisen kann, und stelle mich schonmal darauf ein, im nächsten Jahr die Fields-Medaille verliehen zu bekommen.“
Aber das hat ja im Grunde jeder schon geschrieben.

Am Wochenende hab ich nochmal ein bisschen drüber nachgedacht und -gelesen. Und langsam macht es ein bisschen mehr Sinn für mich.
Sicher, der Preis kam sehr überraschend. Allein die Reaktion des Protagonisten spricht da Bände (im Grunde ein verbales Kopfkratzen). Ich hatte auch durchaus den Eindruck, dass er das Potenzial hat, sich den Preis in drei bis fünf Jahren verdient zu haben, aber das es jetzt einfach noch zu früh ist.
Er hat ja schließlich noch nichts erreicht.

Hat er nicht?
Wenn ich darüber nachdenke, hat er schon einiges daran gesetzt, das weltpolitische Klima zu verbessern. Er hat den Prozess, Guantanamo zu schließen, in Gang gesetzt. Er hat den geplanten Raketenschild in Osteuropa, ein unnötiger und jahrelanger Zankapfel zwischen Russland und den USA, für überflüssig erklärt. Er hat dem Iran die offene Hand angeboten. Er hat den Abzug aus dem Irak erklärt.
Zwar ist Guantanamo immer noch nicht geschlossen, ist der Iran der westlichen Welt immer noch nicht wirklich freundlich gesonnen und sind immer noch Truppen im Irak. Eine Veränderung ist trotzdem zu bemerken.

Es ist nicht unüblich, dass der Friedensnobelpreis nicht als Anerkennung für abgeschlossene Prozesse, sondern als Ansporn, als ein „weiter so!“ vergeben wird. Und in diesem Kontext geht die Vergabe an Obama aus meiner Sicht in Ordnung.
Auch wenn ich es in einem oder zwei Jahren bestimmt für sinnvoller erachtet hätte.

Schwarz-Gelb also.
Hätte nicht gedacht, dass es so deutlich wird.

Bleibt die (etwas dunkle) Hoffnung, dass die FDP den Innenminister stellt.

So kurz vor der Wahl möchte ich mich noch einmal einer Geschichte voller Missverständnisse widmen: der Erststimme.
 
Man hört ständig irgendwo, dass die Zweitstimme die wirklich wichtige ist. Daher geben viele Menschen, die sich nicht ganz für eine Partei entscheiden können (oder „taktische Wähler“, die eine bestimmte Koalition wollen) ihre Erststimme der anderen Partei, „damit die auch was abbekommen“. Dabei hat die Erststimme so gut wie keinen Einfluss auf das Mehrheitsverhältnis im Bundestag. Das geschieht lediglich als Nebeneffekt über die Überhangmandate, einem recht kruden Behelf, der nur existiert, um eine offensichtliche Unzulänglichkeit in unserem Wahlsystem wenigsten einigermaßen wieder gerade zu biegen. In der Informatik würde man sowas einen dirty hack nennen.
 
Was die Erststimme beeinflusst, ist also nicht (oder kaum) das Kräfteverhältnis im Bundestag. Stattdessen bestimmt sie, wer im Bundestag sitzt, was sie in meinen Augen mindestens genauso wichtig macht wie die Zweitstimme.
 
Daher sollte man sich für die Erststimme mit den Kandidaten beschäftigen, und denjenigen wählen, der die eigene Meinung am besten vertritt. Und zwar völlig unabhängig von Parteiangehörigkeit. Nicht alle in einer Partei denken gleich, und jemand aus einer „Gegnerpartei“, der die eigene Meinung teilt, kann besser sein, als jemand aus dem „eigenen“ Lager, dem man eher nicht zustimmen kann.
Ein wunderbares Instrument hierzu sind vor allem abgeordnetenwatch.de, wo man seinem Abgeordneten bzw. seine Kandidaten öffentlich Fragen stellen kann, die auch genauso öffentlich beantwortet werden, sowie die Webseiten der einzelnen Kandidaten. (Leider haben noch nicht alle Politiker den Wert dieser Instrumente begriffen.) Mir ist allerdings durchaus bewusst, dass nicht jeder die Muße haben wird, sich all diese Informationen selber zusammen zu tragen. Und nicht nur mir ist das bewusst, sondern auch abgeordnetenwatch.de, weswegen diese den Kandidatencheck ins Leben gerufen haben. Hier werden die Kandidaten gebeten, zu bestimmten Thesen ihre Haltung anzugeben, welche man dann mit der eigenen vergleichen kann. Das Erststimmen-Gegenstück zum Wahl-o-Maten, sozusagen.
Einen großen Vorteil gegenüber dem Wahl-o-Maten sehe ich allerdings darin, dass den Kandidaten die Möglichkeit gegeben wird, zusätzlich zu ja/nein/weiß-nicht noch eine kurze Erläuterung zu ihrer Antwort abzugeben. Das ist insbesondere da sinnvoll, wo eine eindeutige Antwort nicht unbedingt leicht ist. Beispiel: ich bin der Meinung, dass die Türkei durchaus der EU beitreten kann, wenn sie das mit den Menschenrechten mal in den Griff kriegt. Bei der These „Die Türkei gehört nicht in die EU“ bin ich also nicht ganz sicher, was ich antworten soll; mit dem Wörtchen „noch“ dabei wäre es eindeutiger. Durch die Antwortbegründungen der Kandidaten kann ich aber sehen, wer das ähnlich differenziert sieht wie ich.
 
Wie auch der Wahl-o-Mat erzählt mir der Kandidatencheck wenig neues, was aber auch daran liegt, das sich von den anderen Informationsmöglichkeiten ausgiebig Gebrauch mache. Unentschlossenen mag er aber bestimmt eine Hilfe sein.
 
 
Im Übrigen lässt sich im Kandidatencheck auch sehen, welche Politiker diese Möglichkeit, für sich zu werben, ernst nehmen (und somit -und hier lehne ich mich etwas aus dem Fenster- die gesamte „Internetgeneration“), und wer sich die Mühe macht, zu den durchaus wichtiges Thesen auch differenziert Stellung zu nehmen (geschätzter Aufwand: 45 Minuten; soviel sollte für Wahlkampf übrig sein) oder einfach nur die Antworten durchklickt.
Von den Bonner Kandidaten hat lediglich der werte Herr Westerwelle nicht die Zeit oder das Interesse dafür finden können, der Kandidat der Linken bleibt stumm und der der CDU wortkarg.
 
Und den Antworten des BüSo-Kandidaten kann man als humoristische Komponente den Irrsinn („Wind- und Sonnenenergie sind Energiequellen des 15. Jahrhunderts“) und das Sektierertum („Studieren Sie Lyndon LaRouche, und sie werden dies verstehen“) seiner Partei entnehmen.

Der Bundestagswahlkampf kommt natürlich -wie auch der Kommunalwahlkampf- nicht ohne eine Reihe durchaus fragwürdiger Plakate aus.
Die ganzen hohlen Sprüche, mit denen man zugeballert wird („Mehr Brutto vom Netto“, „Wir wählen die Kanzlerin“, „Deutschland kann mehr“, „Reichtum für alle!“) werden dabei allerdings von einem Plakat der BüSo (Bürgerrechtsbewegung Solidarität) weit in den Schatten gestellt. Es könnte durchaus den Herrn Knülle noch neidisch machen.
 
Das Plakat, das aussieht, als wäre es vom Parteipraktikanten nach einem dreistündigen Photoshop-Kurs als Hörbuch angefertigt worden, zeigt Helga Zepp-LaRouche, die Kanzlerkandidatin der BüSo (ja, richtig gelesen) vor der Frankfurter Skyline. Das beste an dem Plakat ist aber der Spruch:
 

Wir haben das Patentrezept

 
Ja, nee, is klar.
Ich dachte mir, dass die anscheinend die Selbstironieschiene fahren und hab mich mal informiert.
 
Die meinen das ernst.
Das Ziel von dem Verein ist quasi eine Weltrevolution, zumindest wirtschaftlich. Sie wollen Weltfrieden, so viel Atomkraft wie möglich, die Wiedereinführung der D-Mark und glauben nicht an den Klimawandel. Das habe ich mir nicht ausgedacht.
 
Ich hab das Gefühl, dass das mehr ein Sekte als eine Partei ist.
Sie verstehen sich als Teil der LaRouche-Bewegung, ein Haufen Organisationen, die dem „Politker“ Lyndon LaRouche (das ist der, der Obama mit Hitler verglichen hat, weil er das Gesundheitssystem reformirern will). Ja, die Nachnamensgleichheit mit der Kanzlerkandidatin ist kein Zufall.
 
Zum Glück sind die anscheinend die einzigen, von denen sie ernstgenommen werden. Und mit den Wahlplakaten schaffen sie es bestimmt, auch die Zufallswähler zu vergraulen.

Ich hab vor kurzem schon gesagt, dass meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit, an der aktuellen Politik etwas zu ändern, ist, eine kleine Partei zu wählen.
Allerdings höre ich mindestens genauso oft wie die Nichtwählerargument den Einwand, dass man diese und jene Partei ja nicht wählen könne, weil sie ihr Prinzipien verraten hätten. „Diese und jene“ sind dabei vor allem die Grünen, da sie nunmal in der Regierungskoalition waren.

Das Hauptziel einer jeden Partei ist erst einmal, zu regieren.
Darum geht es in der Politik, der Rest ist zweitrangig.

Um regieren zu können, muss sie eine Koalition mit einer anderen Partei eingehen*. Üblicherweise funktioniert das, wenn man Gemeinsamkeiten findet, vor allem aber, indem man ein paar Wahlversprechen (die ich eher „Vorhaben“ nennen würde) fallen lässt und/oder an seinen Prinzipien rumstutzt. In welchem Ausmaß man das tun muss, hängt davon ab, wie gut man bei der Wahl abgeschnitten hat. Und natürlich, wie dringend man regieren möchte.

Zu erwarten, dass jede Partei -insbesondere die kleineren- alles durchsetzt, was sie vor der Wahl angekündigt hat bzw. wofür sie steht, ist reichlich naiv.
Wenn man will, dass sie „prinzipientreuer“ ist, muss man dafür sorgen, dass sie mehr Stimmen bekommt.
 
 
 
* Wenn bei der Wahl nicht alles falsch gelaufen ist, natürlich. Oder falls man in Bayern ist. Allerdings ist mir der Unterschied da nicht unbedingt ersichtlich.

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