22 Jul 2009 22:09
Vorelektionäre Plakatkunst: Der macht das!
in: Die lieben Mitmenschen , Die Welt und so[9] Kommentare
Ich kann durchaus als werberesistent bezeichnet werden. Man könnte sogar soweit gehen und das Wort werberepulsiv erfinden, um meine Einstellung zu Werbung zu bezeichnen. Im Normalfall stößt sie mich nämlich ab.
Ein ganz besonderer Art von Grauen verursacht mir dabei Wahlwerbung, insbesondere Wahlplakate. Was da für hohle, nichtssagende, austauschbare Floskeln an jeden zweiten Baum getackert werden, direkt unter das Konterfei von irgendeinem Politiker (als wenn das für mich irgendeine Relevanz hätte, wie die Person aussieht, die ich wähle), löst bei mir eigentlich nur Kopfschütteln aus.
Hin und wieder taugen diese Plakate aber auch für eine Art unfreiwilligen Humor. Bisher unangefochtener König ist dabei das aktuelle Wahlplakat des Bürgermeisterkandidaten der SPD Sankt Augustin. Leider habe ich verpeilt, vor meinem Urlaub Fotos davon zu machen, deswegen muss hier (erstmal) eine Beschreibung reichen.
Zuallererstmal ist der der Schriftzug an sich sehr aussagefern: Marc Knülle – Der macht das!
Natürlich. Was auch immer „das“ sein soll. So weit, so Standard.
Zu einem wirklich abstrusen Kunstwerk wird das Plakat dann aber durch das in seiner Skurrilität kaum zu übertreffenden Bild. Hier hat man sich nicht damit begnügt, einfach die austauschbare Politikervisage* abzudrucken, wie bei jedem anderen solchen Plakat, sondern man hat seine Nähe zu allen Bürgern anscheinend visuell unterstreichen wollen. Deswegen hat er ein Kind auf dem Arm, während er einem Schwarzen die Hand schüttelt (ja, auch für die Ausländer ausländischen Mitbürger Migranten Mitbürger mit Migrationshintergrund macht der das) und ein kleines Ömchen ihm am Unterarm baumelt und ihn anhimmelt, als wäre er Jesus persönlich. Dazu grinst er in die Kamera, was mir wahrscheinlich signalisieren soll, dass er auch für mich da ist das macht.
Tatsächlich lese ich daraus, dass es ihm völlig egal ist, wem er da gerade die Hand schüttelt, jedenfalls nicht wichtig genug, um die Person dabei anzuschauen, und Ömchen gerne weiterhimmeln kann, solange sie nicht lästig wird. Das Kind auf dem Arm scheint allerdings ganz nützlich zu sein, schließlich hält es ihm das Handy ans Ohr(!) und trägt seine Aktenmappe (er telefoniert also auch gleichzeitig, sehr höflich).
Mir stellt sich bei sowas die Frage, wer da wie viel von welchem Pulver inhaliert haben muss, um sich das auszudenken, für gut zu befinden, es umzusetzen (ohne dabei von Lach- oder Brechkrämpfen geplagt zu werden) und das auch noch aufzuhängen.
Der macht das!
Nachtrag: Ich war heute in Sankt Augustin unterwegs und hab die Gelegenheit genutzt, diese Perle der Lichtbildkunst visuell festzuhalten:
Abschließend sei noch zu sagen, dass auch der Name des guten Herren für humoristische Zwecke herangezogen werden könnte (für nicht-Rheinländer: „knülle“ ist ein -nicht mehr ganz geläufiger- Ausdruck für einen Zustand, in dem man durch Alkoholinduzierung in Reaktions- und Artikulationsfähigkeit deutlich eingeschränkt ist); aber sich über Namen lustig zu machen ist etwas für Kleingeister.
Juli 22nd, 2009 at 22:31
Ich sag nur… „Periphäre Route der Überzeugung“. Die nutzt Obama übrigens auch, allerdings mit deutlich mehr Stil.
Juli 23rd, 2009 at 09:11
Mich erinnert das Bild an den Präsidentschaftswahlkampf der USA. Bei jeder Rede jedes Kandidaten konnte man im Hintergrund immer Dunkelhäutige, offensichtlich nicht Dunkelhäutige, Rentner, Arbeiter, Jugendliche, Kinder, Babys, Schwangere, Hausfrauen, Anzugträger usw sehen. Jede Personengruppe schien vertreten. Die „Werbeagentur“ von Herr Knülle (klingt übrigens wirklich eher wie ein Synonym das man auf Freizeitfahrten „verliehen“ bekommt) scheint das Konzept aufgegriffen zu haben!
Juli 23rd, 2009 at 09:14
Ich hab noch eine Anmerkung: Kannst du eine „Artikel versenden“-Funktion an den Start bringen? Ich habe letztens noch über das Plakat geredet und ich würde jetzt gerne den Link versenden ohne einen Webmailer zu bemühen…
Juli 23rd, 2009 at 09:43
@Jones:
Ich schau mal, was sich da finden lässt.
Edit: bitteschön. Gefällt?
Juli 23rd, 2009 at 11:12
JAAA, und auch mit Twitter wird unterstützt, OHNE das 1 Billionen Icons unterm Text sind. Sehr schön.
Juli 23rd, 2009 at 11:28
Sehr gut.
Ich bin übrigens sehr offen für Vorschläge, in welcher Reihenfolge die Icons da sinnvoll angeordnet sein sollten, und ob irgendwas fehlt.
Juli 23rd, 2009 at 12:36
Ich brauch nur Email und evtl mal Twitter. Aber der Rest schadet ja nicht.
August 10th, 2009 at 14:10
Mittlerweile hat sich das knüllige Plakat gewandelt und der gute Mann steht da nur noch mit einem großen Herz…ob da jemand gemerkt hat, dass die ganze Szene etwas „merkwürdig“ aussah…? 😉
August 10th, 2009 at 19:08
[…] Ich hatte vor es selber zu schreiben, aber Thorsten hat es schon in den Kommentaren angemerkt: […]