Die Welt und so


Ich verstehe das aktuelle Verhalten der japanischen Regierung nicht.

Völlig egal, ob man irgendwie sein Gesicht wahren will oder ähnlicher Blödsinn, aber wenn ich einen atomaren Zwischenfall der Kategorie „wir warten nur darauf, dass es in die Luft fliegt“ im Land habe, und mir jeder, der auch nur entfernt Ahnung von Kerntechnologie hat, (wie z.B. die internationale sowie die nationale Atomaufsicht), sagt „macht die Evakuierungszone auf 40km, und zwar am besten vorgestern“ (zu deutsch: „seht zu, dass ihr da weg kommt“), dann glaube ich denen das doch. Dann sage ich nicht: „Nein, 20 km reichen“.

Ich weiß, unsere Regierung leidet gelegentlich (sprich: viel zu oft) auch unter selektiver Expertenallergie. Selektiv, weil das immer genau dann passiert, wenn die Expertenmeinung sich nicht mit den eigenen Wunschvorstellungen deckt. Das ist bei Bürgerrechts- und Finanzdingen schon schlimm genug. Aber wenn dieses Verhalten bedeutet, dass 150.000 Menschen das Leben bis in die nächste (ungeborene) Generation noch mehr versaut bis beendet wird, als das ohnehin nach Erdbeben und Tsunami schon der Fall ist, dann hört wirklich alles auf.

Ein kleiner Nachtrag noch zu der Wikileaks-Veröffentlichung; genauer gesagt zu ihrem Namen: Cablegate.
 
Ich finde die (Un)sitte, jedem zweiten Skandal und Skandälchen einen Namen zu geben, an den die Silbe -gate drangeklatscht wird, unsäglich genug.
Diesen Namen aber selbst zu vergeben, meiner Vermutung nach in der Absicht, das Geschehen in den Skandalstatus zu erheben, finde ich allerdings noch eine ganze Ecke schlimmer.

Ich finde die aktuelle Veröffentlichung von Wikileaks („cablegate„) nicht richtig, fast sogar schadhaft.
 
Bisher hatte ich von Wikileaks immer einen positiven Eindruck. Den Eindruck, dass sie nur dann Dokumente veröffentlichen, wenn deren Geheimhaltung einen Skandal oder ein großes Unrecht versteckt, wie zum Beispiel das Video vom Hubschrauberangriff im Irak oder die Sperrlisten für die geplante oder durchgeführte Netzzensur, die neben den propagierten (Kinder)porno-Seiten auch Seiten von Filesharern, politischen Gegnern und unliebsamen Blogs enthielten.
 
Die jetzt in fünf großen Medien (Spiegel, Guardian, New York Times, Le Monde, El Pais) veröffentlichten Botschaftsdepeschen hingegen sind nichts dergleichen. Es sind lediglich persönliche Einschätzungen der Botschaften ihrer jeweiligen Gastgeberländer. Es ist nichts skandalöses oder gar menschenrechtsbedrohendes dabei – im Grunde weiß jetzt nur die Welt, was die USA über sie denken und was sie ihr nicht ins Gesicht gesagt hätten.
Und an den Sachen, die in den Dokumenten stehen, finde ich auch nichts verwerfliches. Im Gegenteil – für die Arbeit eines Diplomaten ist es unabdingbar, dass man mit den eigenen Leuten offen und ehrlich reden kann, in aller Vertraulichkeit. Und ganz ehrlich: überraschend ist nichts von den Aussagen. Überhaupt nichts. Dass Westerwelle nicht der geborene Außenpolitiker ist, dass Angela Merkel nicht wirklich risikofreudig ist, dass unliebsame und grenzkompetente Politiker gerne mal in die EU abgeschoben werden, dass Erdogan die Türkei langsam aber sicher in den Islamismus führt, dass es um die Demokratie in Russland nicht so rosig bestellt ist, dass das iranische Atomprogramm ein Risiko ist, das sind alles Dinge, die mehr oder weniger allgemein bekannt sind. Ich würde sogar soweit gehen, die Analysekompetenz der Diplomaten in Frage zu stellen, wenn sie zu anderen Ergebnissen kommen würden.
 
Diese Dokumente sind zwar ganz interessant, haben für die Allgemeinheit aber keinerlei Mehrwert.
Sie sind aber peinlich für die USA und potentiell schädlich für die Arbeit ihrer Diplomaten. Denn es ist ein Unterschied, zu vermuten (oder auch nicht), dass der Gegenüber einen für inkompetent hält, oder es zu wissen.
 
Ich habe den Eindruck, dass diese Veröffentlichung lediglich dazu dient, den USA an den Karren zu fahren. Ein Racheakt, vielleicht.
Und das ist nicht das, was eine Organisation wie Wikileaks tun sollte. Nicht, wenn sie mehr als nur „Verräter“ sein wollen.

Ich muss gestehen, dass ich schon ein wenig neidisch auf die Bayern bin.

Horst Köhler ist also zurückgetreten. Aus Gründen, die mir persönlich etwas schwach vorkommen.
Ich empfinde das als sehr schade.

Ich weiß, dass einige Leute das anders sehen, aber ich bin der Meinung, dass er sein Amt als Bundespräsident immer sehr gut ausgefüllt hat. Er hat häufig zu Themen Stellung bezogen, die mahnende Worte wirklich nötig hatten. Und er hat mehrfach Gesetzen, die er als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar hielt, seine Unterschrift verweigert.
Ich hatte durchweg den Eindruck, dass er wirklich überparteilich agiert, und vor allem, dass er ausgesprochen integer ist. Eine bei Spitzenpolitikern sehr selten anzutreffenden Eigenschaft.

Deutschland verliert einen guten Politiker.

Wollen wir hoffen, dass das Amt durch einen würdigen Nachfolger besetzt wird.
 
 
Roland Koch hat ja jetzt Zeit…

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