17 Aug 2008 13:11
* Gebildet klingendes Pseudo-Griechisch-Latein für „Prüflingstypologie“
Klausuraufsicht schieben ist eine unglaublich minderinteressante Tätigkeit. Während die Studenten in den zwei, drei Stunden wenigstens etwas zu tun haben (wenn auch nicht zwangsweise etwas angenehmes), bleibt dies der Aufsichtsperson versagt. Einzige wirkliche Beschäftigungsmöglichkeit (und nebenbei auch Hauptaufgabe) ist hierbei das Beobachten der Prüflinge.
Dabei lassen sich einige Grundklassen herausstellen:
Der Taucher
Der Taucher geht eine enge Bindung mit den Aufgaben ein. Um möglichst wenig Luft zwischen seine Gedanken und das Papier zu bringen, befindet sich sein Kopf maximal 20 Zentimeter vom Aufgabenblatt entfernt. Wichtig für das Erscheinungsbild des Tauchers ist hierbei, dass der Kopf sich ständig unterhalb der Höhe der Schultern befindet.
Der Gucker
Nach jeweils drei geschriebenen Worten wirft der Gucker einen Blick kontemplativ an die Decke, die Wand oder durch den Raum, um die weitere Fortsetzung des Geschriebenen perfekt auszufeilen. Gerne wird dieser Blick durch „nachdenkliche“ Gesten, wie Bartzupfen, Stiftekauen oder Schläfenmassieren untermalt, um nicht den Eindruck zu erwecken, eine Frage zu haben, nicht weiter zu wissen oder gar abgucken zu wollen.
Der Kadett
Der Mensch mag den aufrechten Gang entwickelt haben; der Kadett aber ist einen Schritt weiter und hat die aufrechte Sitzhaltung bereits perfektioniert. Wirbelsäule und Kopf bilden eine perfekte Gerade (die eine leichte Neigung nach vorne aufweisen kann), die während des Schreibens strikt eingehalten wird. Unterstützt wird dies durch die Haltung der Arme, die entweder zwei perfekte Parallelen bilden (während des Nachdenkens) oder exakt 90 oder 45 Grad Winkel zueinander aufweisen.
Der Zurückgelehnte
Er ist der Antipol des Tauchers. Während dieser versucht, eine Einheit mit dem Blatt einzugehen, bringt der Zurückgelehnte die maximale Entfernung zwischen sich und Aufgabe. Der Rücken verschmilzt mit der Stuhllehne, während die Augen steten Blickkontakt mit dem Papier halten.
Der Frühsportler
Er reckt sich, er streckt sich, er lässt der Stift zwischen den Fingern kreisen und die Knöchel knacken. Für den Frühsportler ist ein Nachdenken ohne Bewegung unmöglich. Daher ist für ihn keine feste Körperhaltung einzuhalten; er muss ständig seine Position wechseln, um in Bewegung zu bleiben. Stillstand des Körpers bedeutet Stillstand des Geistes!
Der Frühsportler ist häufig anzutreffen in Personalunion mit dem Picknicker.
Der Picknicker
Auf leerem Magen schreibt sich schlecht. Daher baut der Picknicker ein Buffet aus Kaugummi, Snickers, Wurstbrötchen (mit Salat!) und weiterer Geistesnahrung auf. Unverzichtbar ist hierbei die Familienpackung Dextro Energen, denn Zuckernachschub ist essentiell. Denksport ist auch Sport, und die verbrauchten Kalorien wollen so schnell wie möglich ersetzt werden!
Der Schlaflose
Die Nacht war kurz. Sehr kurz. Eine Tasse Kaffe gehört zum Mindestequipment des Schlaflosen, wenn nicht gar eine ganze Kanne der braunen Goldes. Während der gesamten Prüfung verwachsen Kopf und zweite Hand zu einer stabilen Konstruktion, die lediglich zur Koffeinaufnahme aufgebrochen wird, um danach unverzüglich wieder hergestellt zu werden.
Der Egoist
Meist eine Abwandlung des Tauchers, unternimmt der Egoist alles, damit niemand Einblicke in seine geistigen Erzeugnisse nehmen kann. Dies ist eine darwinistische Welt! Der zweite Arm, der grundsätzlich um den gesamten Klausurbogen gelegt wird, dient hier nur als letztes Bollwerk gegen diebische Blicke, das bevorzugt durch sämtliche auffindbaren Utensilien ergänzt wird.
Eine besonders ausgeprägte Form des Egoisten legt sogar falsche Fährten, indem er absichtlich falsche Lösungen auf Beiblätter schreibt und diese gut sichtbar für jeden potenziellen Ideenschmarotzer hinlegt. Selbstverständlich werden diese „Lösungen“ erst unmittelbar vor Abgabe gut sichtbar durchgestrichen.
Ohne Frage treten diese Grundtypen selten in Reinform auf. Vielmehr lässt sich oft eine Mischung aus mehreren, sowie ein im Laufe der Zeit erfolgender Übergang zwischen verschiedenen Typen feststellen (so metamorphiert mancher Kadett zum Taucher, je näher die Abgabe rückt).
Zusätzlich zu diesem ist noch zu beobachten, dass die seitliche Haltung des Kopfes völlig unabhängig vom Grundtypus ist. Grob 75% aller Prüflinge halten den Kopf in einer seitlichen Neigung von etwa 20 bis 45 Grad, während der Rest eine perfekt gerade Haltung einnimmt.
Wie wir sehen, kann die Beobachtung der Gattung der Prüflinge ein durchaus interessanter und kurzweiliger Zeitvertreib sein, der auch die längsten Prüfungen wie im Fluge vergehen lässt.
August 17th, 2008 at 17:33
Ich würde mich am ehesten als „Der Gucker“ beschreiben. Aber die anderen kenne auch ich aus der Sicht eines Prüflings 🙂
August 23rd, 2008 at 01:33
Ich denke, ich bin auch eher ein Gucker.
September 1st, 2008 at 13:20
So viele Prüflinge kannst du doch gar nicht beaufsichtigt haben, um von jedem Typus eine repräsentative Menge beobachten zu können…
Ich bin übrigens eine Picknickerin/Schlaflose (Einheit von Kopf und Hand während 4 Stunden Magisterklausur!!)
September 1st, 2008 at 13:46
Das war ja nicht meine erste Klausur,die ich beaufsichtigt habe; ausserdem lässt sich das ja auch als Prüfling schon beobachten. 😉