28 Feb. 2009 0:07
Das Bundesverfassungsgericht hat heute eine einstweilige Anordung erlassen, die sich auf eine Hinterlassenschaft der Beckstein-Regierung in Bayern bezieht: das bayrische Versammlungsgesetz.
Dieses Gesetz ist, wie an vielen Stellen schon geschrieben, im Grunde ein Versammlungsverhinderungsgesetz. Daher hat sich ein breites Aktionsbündnis gebildet, das Verfassungsbeschwerde eingereicht und den Antrag auf die genannte einstweilige Anordnung gestellt hat.
In diesem Gesetz gibt es so grandiose Dinge wie:
- Ein sehr hoher bürokratischer Aufwand. Jeder Veranstalter muss unter anderem Ort, Zeit, Thema und Namen des Veranstalter angeben, wenn er zu einer Veranstaltung einlädt. Spontan oder geplant ist dabei unerheblich. Wird gegen diese Vorschriften verstoßen, wird sofort ein Bußgeld fällig; ohne vorhergehendes Verfahren.
- Wie eine Einladung dabei aussieht, ist offen. Um das Bunderverfassungsgericht zu zitieren: „Auch wenn die erforderlichen Angaben für sich gesehen einfach sind, kann die Frage, was als Einladung zu qualifizieren ist, welche Genauigkeit erforderlich ist oder wie die Angaben bei zeitgemäßen Formen der elektronischen Kommunikation – wie SMS – zu gewährleisten sind, ernsthaft fraglich sein.“
- Die Polizei hat das Recht, sämtliche Teilnehmer einer Versammlung aufzuzeichnen, und die gesammelten Daten unbegrenzt zu speichern und anderweitig zu verwenden.
Das alles klingt schon schlimm, wenn man dabei an größere Veranstaltungen denkt. Aber:
- Eine Versammlung beginnt laut Gesetz bei zwei Personen. Inklusive Veranstalter.
Um es polemisch auszudrücken:
Würde jemand spontan seinen beiden besten Kumpels per SMS in eine Kneipe zum Biertrinken und Fußballfachsimpeln einladen, müsste er das anmelden. Täte er das nicht, würde ein Bußgeld fällig. Und selbst wenn er es täte, dürfte sich ein Polizist mit einer Kamera daneben stellen, das Ganze aufzeichnen und danach damit machen, was auch immer der Polizei einfällt.
Wenn sie darauf verärgert aggressiv reagieren, hat der Polizist übrigens das Recht, die „Versammlung“ aufzulösen.
Das Bundesverfassungsgericht hat nicht alles davon aufgehoben, auch wenn das beantragt war. Mit gutem Grund, allerdings. Zum einen ist dem Gericht größte Zurückhaltung geboten, wenn es darum geht, ein Gesetz per einstweiliger Anordnung, also ohne Verfahren, aufzuheben. Zum anderen begründet es, dass, wenn es die meisten Regelungen aufheben würde, es selber Ersatz schaffen müsste, weil Bayern sonst vollständig ohne Regelungen zu Versammlungen dastünde. Daher hat es die nur Bußgeldvorschriften aufgehoben und die Überwachung/Auszeichnung in sehr enge Schranken verwiesen, so dass wenigstens das Versammlungsrecht wieder unbefangen wahrgenommen werden kann.
Was das Gericht in der Hauptverhandlung mit dem Gesetz machen wird, lässt es in der Pressemitteilung deutlich durchklingen.
So weit, so gut.
Und was macht die CSU daraus?
Einen Sieg.
„Bayerisches Versammlungsgesetz im Kern bestätigt – Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht überwiegend abgelehnt“
Die sehen sich als große Gewinner, weil nicht das gesamte Gesetz per Anordnung gekippt wurde. Weil das Gericht sinngemäß sagt „Wir können euch nicht das ganze Gesetz ohne Hauptverfahren um die Ohren hauen, weil das noch schlechtere Auswirkungen hätte, und generell müssen wir als Gericht sehr vorsichtig damit sein, das zu machen bevor wir die Verfassungswidrigkeit festgestellt haben“, hält die CSU das Gesetz für „im Kern bestätigt“.
Anstatt den Schwanz einzukneifen, weil das Verfassungsgericht das Gesetz so schlimm findet, dass es sich gezwungen sieht, Teile davon unverzüglich einzukassieren, trommeln sie sich auf die Brust und erzählen, dass die anderen völlig versagt hätten.
Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass sie das selber auch nicht glauben und einfach kackendreist lügen.
Wundern würde es mich nicht.
Februar 28th, 2009 at 21:31
Beckstein ist so ziemlich der einzige Fall, bei dem ich mich schäme, Bayer zu sein.
Der und Musikantenstadel…