16 Sep 2009 19:37
Es war ja leider zu erwarten: Es hat keine zwei Tage gedauert, bis nach der tödlichen S-Bahn-Prügelei vom Samstag die Stimmen der Überwachungsstaatler laut werden. Ich bin ja schon froh, dass Roland Koch sich gerade nicht im Wahlkampf befindet, aber er wird schon (un)würdig von Horst Seehofer vertreten.
Ich finde es geradezu zynisch, so eine Tat als Aufhänger zu nehmen, um mehr Überwachungskameras zu fordern. Überwachungskameras verhindern so ein Verbrechen nicht, sie sorgen lediglich für eine ggf. höhere Aufklärungsquote. Und da gab es in diesem Fall nichts zu erhöhen. Die Täter haben sich weder von der Sicherheitskamera im Zug noch von den 20 Zeugen am Bahnsteig irritieren lassen. Und die Polizei war schon alarmiert, sie war nur nicht schnell genug (das soll nicht als Vorwurf verstanden werden).
Ich möchte auch den Leuten, die zugegen waren, keinen Vorwurf machen, ohne selber da gewesen zu sein. Ich kann nicht sagen, ob man dem Mann hätte beispringen können. So etwas passiert so schnell, dass man unter Umständen gar nicht realisiert hat, was geschieht, bevor es vorbei ist. Bei der Schlägerei im letzten Jahr (die Roland Koch so gelegen kam), dauert es keine 30 Sekunden. In Zeitlupe!
Das Problem ist auch nicht, dass es zu immer mehr Gewalt käme, im Gegenteil, die Zahlen sind sogar rückläufig (siehe u.a. Abschnitt 2 und 2.3.1). Das Problem ist, dass es stellenweise zu heftigerer Gewalt kommt. Und insbesondere, dass es bei manchen keinen „Ehrenkodex“ zu geben scheint. Ich habe mich nie wirklich geprügelt, und hoffe, dass ich es auch niemals muss. Nichtsdestotrotz wusste ich wie jeder andere auch, dass man niemanden schlägt, wenn er am Boden liegt. Wenn es jemand doch tat, hat er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Diese Regel scheint mir teilweise nicht mehr zu gelten.
September 16th, 2009 at 20:10
Wären die Menschen nicht zu feige, könnten sie sich in solch Situationen, um als Helfer sicher zu sein, zu mehreren zusammenrotten und als überwältigende Übermacht die Täter versprengen oder notfalls schachmatt setzen.
Oder man zieht zu mehreren das Opfer schnell und überraschend aus der Gefahrenzone und macht sich gemeinsam aus dem Staub.
Klar, dass man als einzelner nicht viel helfen kann und man muss sich keinen Vorwurf machen lassen, wenn man nur die Polizei gerufen hat und nicht viel mehr. Aber wenn da SO viele Leute standen…
Ich wette, die werden ihr mieses Gewissen nie mehr im Leben los. Sie haben ja indirekt jemanden auf dem Gewissen.
September 16th, 2009 at 20:34
Ich meine nach wie vor, den Leuten nicht pauschal Feigheit vorwerfen zu können. Wer weiß, ob die in der Bahn waren, zu weit weg, oder es einfach nicht schnell genug gecheckt haben.
Auf dem Gewissen haben den Mann die beiden Täter.
Was natürlich nicht heißt, dass die anderen sich nicht ewig fragen werden, ob sie etwas hätten tun können.
September 17th, 2009 at 12:54
Ob man den Umstehenden was vorzuwerfen hat, kann glaub ich niemand direkt beurteilen, ohne zumindest mit den ganzen Leuten gesprochen zu haben. Damit soll sich -wenn überhaupt- die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Und wie du schon gesagt hast, die Leute sind schon gestraft genug, ein Leben lang mit was-währe-wenn-Gedanken zu kämpfen.
Dass sich Politiker mit solchen populistischen Parolen zu Wort melden hat dich aber nicht wirklich überrascht, oder? Das wird mit dem Amoklauf heute Morgen auch nicht anders. Websperren für Killerspiele währ doch ein schönes Thema.
September 17th, 2009 at 13:11
„Websperren für Killerspiele“ ist natürlich ungefähr genauso sinnvoll wie Anschnallpflicht für Fußgänger.
Überraschen tut es mich nicht, nein.
Nur mit offensichtlich wirkungslosen Dingen anzufangen finde ich nach wie vor einfach nur verwerflich. Genau wie der Schäuble damals (nach der letzten Prügelei) erzählt hat, dass man die Täter dank der Vorratsdatenspeicherung fassen konnte.
September 17th, 2009 at 18:59
„Was natürlich nicht heißt, dass die anderen sich nicht ewig fragen werden, ob sie etwas hätten tun können.“
Genau dat meinte ich, Hase 😉
September 20th, 2009 at 13:35
Mein erster Gedanke war „jetzt geht die Killerspiele- und Überwachungsdiskussion schon wieder los.“, als ich davon im Radio gehört hab.
Und mein zweiter Gedanke war „Wann kommt endlich mal jemand auf die Idee, statt mehr Überwachung, Strafe und Verboten einfach mal ein paar mehr Sozialarbeiter einzustellen und die besser zu bezahlen? Teurer ist das auch nicht als hochtechnisierte Überwachung und mehr Ordnungshüter.“
Aber darüber scheint ja keiner nachdenken zu wollen.
Es ist ja so viel einfacher, auf Symptome drauf zu hauen als Ursachen zu bekämpfen.
Leider.