Es war ja leider zu erwarten: Es hat keine zwei Tage gedauert, bis nach der tödlichen S-Bahn-Prügelei vom Samstag die Stimmen der Überwachungsstaatler laut werden. Ich bin ja schon froh, dass Roland Koch sich gerade nicht im Wahlkampf befindet, aber er wird schon (un)würdig von Horst Seehofer vertreten.
Ich finde es geradezu zynisch, so eine Tat als Aufhänger zu nehmen, um mehr Überwachungskameras zu fordern. Überwachungskameras verhindern so ein Verbrechen nicht, sie sorgen lediglich für eine ggf. höhere Aufklärungsquote. Und da gab es in diesem Fall nichts zu erhöhen. Die Täter haben sich weder von der Sicherheitskamera im Zug noch von den 20 Zeugen am Bahnsteig irritieren lassen. Und die Polizei war schon alarmiert, sie war nur nicht schnell genug (das soll nicht als Vorwurf verstanden werden).

Ich möchte auch den Leuten, die zugegen waren, keinen Vorwurf machen, ohne selber da gewesen zu sein. Ich kann nicht sagen, ob man dem Mann hätte beispringen können. So etwas passiert so schnell, dass man unter Umständen gar nicht realisiert hat, was geschieht, bevor es vorbei ist. Bei der Schlägerei im letzten Jahr (die Roland Koch so gelegen kam), dauert es keine 30 Sekunden. In Zeitlupe!

Das Problem ist auch nicht, dass es zu immer mehr Gewalt käme, im Gegenteil, die Zahlen sind sogar rückläufig (siehe u.a. Abschnitt 2 und 2.3.1). Das Problem ist, dass es stellenweise zu heftigerer Gewalt kommt. Und insbesondere, dass es bei manchen keinen „Ehrenkodex“ zu geben scheint. Ich habe mich nie wirklich geprügelt, und hoffe, dass ich es auch niemals muss. Nichtsdestotrotz wusste ich wie jeder andere auch, dass man niemanden schlägt, wenn er am Boden liegt. Wenn es jemand doch tat, hat er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Diese Regel scheint mir teilweise nicht mehr zu gelten.