Auf die Ohren


Ich hab schon viel zu ewig nichts mehr über Platten oder Musik im Allgemeinen geschrieben.
Das geht gar nicht.

Und deswegen mach ich jetzt Schluss mit dem Unterlassen. Und zwar aus guten Anlass (nicht, dass es die vorher nicht gegeben hätte…): der werte Herr zu Knyphausen hat eine neue Platte rausgebracht. Endlich.
Bisher ist meine Lieblingsplatte dieses Jahr. Und das sage ich trotz Musée Méchanique (über die ich auch noch einiges zu schreiben hätte). Die Lieder sind (in Ermangelung eines besseren Wortes) kompakter als auf dem ersten Album; insgesamt klingt es ein bisschen ausgereifter. Und das will was heißen.
Die Stimmung des Albums schwankt ausgewogen zwischen düster und schwermütig bis irgendwie romantisch, einzig „Es ist still auf dem Rastplatz Krachgarten“ (mit Dendemann-Zitat!) sticht als beinahe fröhliches, sommerliches Lied raus. Auch die Mischung zwischen akustischen und Band-Tracks stimmt.

Es ist die Art Platte, die einem den ganzen Tag als Ohrwurmrudel durch den Kopf pflügt.

Bemerkenswert an den Liedern finde ich, dass gerade bei den wirklich traurigen Sachen (wie „Seltsames Licht“ oder „Dreh dich nicht um“, zwei unglaublich gute Lieder) immer irgendwie ein Funken Hoffnung mitschwingt.

Es ist auch irgendwie angenehm seltsam, Songs, die man schon seit beinahe zwei Jahren kennt „endlich“ auf einem Album zu finden, namentlich „Melancholie“ und „Hurra! Hurra! So nicht.“ Seit zwei Jahren, weil er sie schon auf dem ersten Konzert gespielt hat, das ich von ihm besucht habe. Er hat nämlich angenehmerweise die Angewohnheit, neue Lieder mit auf Tour zu nehmen, und auszuprobieren, und an ihnen rumzufeilen, bis sie ihren Weg auf ein Album finden.

Ach ja, Konzert.
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Am Freitag hatte ich die Ehre, mir mit dem guten Micha Get Well Soon im Gloria in Köln angucken zu dürfen. Ein netter Laden, in dem ich bisher noch nicht war. Gemütliche Atmosphäre, genügend Platz und eine gute Akustik. Könnte mir durchaus öfter Konzerte da angucken.
Vor allem, wenn sie so werden wie am Freitag. Die Musik von Get Well Soon kommt live tatsächlich noch besser rüber als auf Platte. Schöne, mal kraftvolle, mal ruhige und mal orchestrale Musik mit vielen verschiedenen Instrumenten. Genau mein Fall. Und ich hab festgestellt, dass ich mir das neue Album dringend mal genauer anhören muss.
Sämtliche Stücke während des Konzert wurden auf einer riesigen Leinwand hinter der Band von eigens produzierten Videos gedreht, die absolut perfekt zur Musik passten. An einer Stelle hätte die Band sich selber als Chor begleiten müssen, da das aber nicht ging, haben sie sich einfach singend gefilmt; eine nette Idee. Ein anderes Video war richtig aufwendig produziert und gedreht worden, nach Aussage der Band „im dunkelsten Wald Deutschlands. Der ist irgendwo bei Bonn, haben wir erfahren. Siegburg, da die Ecke“.
Insgesamt ein schönes, stimmiges Gesamtkonzept.

Was mich allerdings fast noch mehr begeistert hat als der Hauptact war die Vorband: Musée Mécanique (die übrigens vom Frontmann und Mastermind der Hauptband vorher sehr nett angesagt wurden. Tolle Geste). Die machen sehr ruhige, melancholische, organische Musik mit angenhmen, teilweise mehrstimmigen Gesang. Vor allen Dingen beeindruckend war allerdings, dass jeder von den dreien (eigentlich fünf, aber zwei konnten nicht mit auf Tour kommen) zwei bis drei Instrumente gespielt hat.
Gleichzeitig.
Linke Hand Klavier, rechte Hand Glockenspiel und mit dem Fuß die HiHat, zum Beispiel. Und die gleichzeitig zu spielenden Instrumente haben zwischen den Songs öfter mal gewechselt, so dass zum Ende des Auftritts jeder bestimmt 10 verschiedene Sachen gespielt hat.
Nach dem Konzert hab ich direkt mal einen Ausflug zum Merchandising-Stand gemacht und mit das Album von den Jungs gekauft. Und ich habe das Gefühl, dass ich es noch recht oft hören werde in nächster Zeit.

Was macht man, wenn man für ein eigentlich völlig überteuertes Konzert für sehr wenig Geld an Karten kommen kann?
Man geht hin. 😉
 

Letzten Freitag haben wir (F., Annett samt Schwester, Astrid und ich) uns „The Frank Sinatra Show“ von Roger Pabst und dem Grand Central Orchestra im Kölner Tanzbrunnen angetan.
„Angetan“ ist auch schon die richtige Wortwahl. Einhelliges Fazit: was für eine Zeitverschwendung.

Die Big Band war zwar sehr gut, aber ich musste feststellen, dass über 2 Stunden lang Swing zu hören einfach nicht mein Ding ist. Aber okay, das wäre ja noch in Ordnung gewesen. Und dieser Sänger, dessen Stimme bestenfalls grob an Sinatra erinnert, wäre auch noch ertragbar (wenn auch langweilig) gewesen, allerdings sind mir generell Menschen, die sich offenbar für die allergeilsten halten, per se unsympathisch. Und dessen Gehabe (sollte wohl geiles Abgehen zur Musik sein) war echt unerträglich. Ein fürchterliches Rumgezucke, so grausam, dass ich es nicht in adäquate Worte fassen kann. Schon allein die Tatsache, in den Songs zum Klatschen aufzufordern – ja, das geschieht auf anständigen* Konzerten auch, aber bei Sinatra-Songs erzeugt das eine sehr rentnerige ZDF-Fernsehgarten-Atmosphäre. Und dazu stelle man sich vor, dass er beim „Vorklatschen“ die Hände komplett durchstreckt und alle Finger abspreizt (wer sich das nicht vorstellen kann, probiere es einfach mal aus. Sollte nur niemand bei zugucken).
Dazu hat er zwischen den Songs immer etwas über die Geschichte (und Komponisten) hinter den jeweiligen Stücken erzählt, was zumindest informativ war. Nicht unterhaltsam, aber informativ. Allerdings sprach er ständig von „Frankie-Boy“. Mag sein, dass man Sinatra früher so genannt hat; bei ihm klang es aber so, als meine er, die beiden seien dickste Kumpel (gewesen).
Und was den Abend wirklich versenkt hat, war dieses allerbilligste Angebiedere, das er ständig vom Stapel gelassen hat. Zum Beispiel aus „New York, New York“ einfach mal „Cologne, Cologne“ zu machen. Bei mir löst sowas genervtes Augenrollen hervor. Nebenbei übrigens die langweiligste Interpretation des Songs, die ich je gehört habe.

Die halbstündige Pause hätten sie sich auch sparen können. Dann wäre es wenigstens früher vorbei gewesen. Mr. Ich-bin-so-geil musste sich zwar umziehen, um in dem jeweiligen Alter der Songs angemessener Kleidung auf der Bühne zu stehen, aber 30 Minuten? Muss das jemand für den machen oder wie?

Zum Glück war der Saal bestuhlt. Da konnte ich mich wenigstens hinfläzen und den Leuten hinter mir mal nicht die Sicht versperren. Über zwei Stunden den Mist stehend zu ertragen hätte ich auch nicht ausgehalten.

Gestern waren wir mal wieder spontanerweise auf einem Gisbert-Konzert (warum kriegen wir eigentlich immer erst drei Tage vorher mit, wenn der gute Herr in Bonn spielt? Irgendwas machen wir da schwer falsch.), zusammen mit der mir bis dato (leider) unbekannten Band Lichter.
Gespielt haben sie im Kult41, einem Laden, der sich mir aus völlig unverständlichen Gründen beschämender Weise bisher entzogen hat. Eine extrem coole Location, die vom Bonner Kulturverein Nordstadt betrieben und zum einen als Galerie für wechselnde Ausstellungen, zum anderen als Veranstaltungsort für diverseste Dinge (u.a. Konzerte) genutzt wird. Proberäume und Ateliers gibt noch dazu.
Ganz abgesehen von dem Flair, der von dem Ort ausgeht (ich bin ein Fan von ehemaligen Industriebauten in Hinterhöfen) sind übrigens die Getränkepreise bemerkenswert. 1,50 für ne Flasche Bier, ein Glas Afri kostet 50 Cent und Wasser gibt’s für lau(!). Das schreit ja geradezu „nicht gewinnorientiert“.


Wie dem auch sei, das Konzert: großartig. Zuerst hat Herr zu Knyphausen alleine akustisch gespielt (ich bin mir immer noch unschlüssig, ob ich ihn akustisch oder mit Band besser finde. Wie nennt man nochmal das Gegenteil von „Cholera und Pest“?), unter anderem auch ein paar neue Lieder, die auf dem kommenden Album(!)* zu finden sein werden (hatte er teilweise auch schon im Sommer gespielt).
Danach kamen Lichter auf die Bühne. Haben mir sehr gefallen, sind aber wohl nicht jedermanns Geschmack. Klangtechnisch einordnen würde ich sie in der Nähe von (frühen) Kante, mit einem guten Schuß Tele. Album befindet sich seit gestern in meinem Besitz 😉 .
Als letztes Lied spielten Lichter eine Coverversion von „Spieglein, Spieglein“, woraufhin Gisbert nochmal aus dem Publikum auf die Bühne kam und sie als krönenden Abschluss ein paar Lieder zusammen spielten. Beginnend natürlich mit ner Coverversion von Lichter („Leerer Raum“, sehr cremig). Dieser Song wird (insbesondere in der Gisbert-Version) an einer Stelle sehr ruhig; die Musik verstummt komplett. Genau an dieser Stelle -das Publikum lauscht und schweigt andächtig- hört man auf einmal ein lautes „Ja hi, hier is der Christoph. Du musst dir das unbedingt anhören“ in ein Handy palavert werden, gefolgt von einem 200-stimmigen „pssst“.


Die Cover lassen sich übrigens frei herunterladen. Yay!
Alles in allem ein sehr gelungener Abend.
 
Ein paar Videos habe ich auch aufgenommen; sind allerdings sehr verzittert. Freihändig Kamera hochhalten is halt nich so leicht…
Reiche ich ggf. an dieser Stelle nach.

Gestern konnte ich direkt mal meine neuen Kontaktlinsen ihrer eigentlichen Bestimmung zuführen: Konzerte.
Genauer gesagt: dafür sorgen, dass ich auf Konzerten ungeniert rumhotten kann, ohne Angst zu haben, dass meine Brille einen Abgang macht um sich daraufhin unter Dutzenden Füßen in Einzelteile aufzulösen. Eine Erfahrung, die ich nicht unbedingt wiederholen muss.

Bloc Party waren erwartungsgemäß super. Alle großen Kracher gespielt (nur Hunting for Witches nicht. Hrmpf.) und ordentlich das Haus gerockt. Und live merkt man erst richtig, was für eine Wahnsinnstimme Kele Okereke hat.
Wenn man ihn nur mal verstehen könnte. Die Sprache, in der die Jungs ihre Ansagen gemacht haben, war mir jedenfalls unbekannt; schien aber recht nah mit Englisch verwandt zu sein. Hab daher gut zwei Drittel verstehen können.

Abschließend bleibt zu sagen: Konzerte machen tatsächlich wesentlich mehr Spass, wenn man keine Gedanken an die Heftigkeit der eigenen Bewegungen verschwenden muss.

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