Die Welt und so


Je näher eine Wahl, in diesem Fall die Bundestagswahl, rückt, desto öfter lese ich in diversen Blogs und Foren Aussagen im Stil von „Ich werde nicht wählen gehen, weil ich mich mit keiner Partei identifizieren kann, und wenn die Wahlbeteiligung gering genug ist, geben wir ‚denen‘ ein deutliches Zeichen, dass wir nicht zufrieden sind.“ Eine gefährliche Logik.
 
 
Solange sie die Mehrheit haben, interessiert es Politiker herzlich wenig, von wie vielen Leuten diese Mehrheit ausgeht.
 
 
Das einzige Signal, welches man durch Nichtwählen setzt, ist: „Mir ist völlig egal, was ihr da macht.“
Selbiges gilt für die, die zwar wählen gehen, allerdings einen ungültigen Zettel abgeben. „Ich streiche alle Parteien durch, um mal zu zeigen, dass ich alle schlecht finde“.
Die einzigen, die den Wahlzettel jemals zu Gesicht bekommen, sind die Wahlhelfer. Und die verdrehen höchstens die Augen, bevor sie den Zettel zu den anderen auf den „zu blöd, um ein Kreuz zu machen“-Stapel legen.
Angekommene Aussage: keine.
 
 
Wenn man mit dem, was in den letzten Jahren in der Politik passiert, nicht zufrieden ist (und ich wüste nicht, wer das sein könnte), dann gibt es nur eines, was zumindest einen Stoß in eine andere Richtung bewirken kann: eine kleine Partei wählen.
Den Wahl-o-maten anschmeißen, und sich informieren lassen. Oder sich (wie in meinem Fall) bestätigen lassen, was man schon weiß.

„Taktisch wählen“ ist nebenbei Unsinn. Das einzig sinnvolle ist ehrlich zu wählen.
Hauptsache bleibt allerdings, dass man überhaupt wählen geht.

Es war ja leider zu erwarten: Es hat keine zwei Tage gedauert, bis nach der tödlichen S-Bahn-Prügelei vom Samstag die Stimmen der Überwachungsstaatler laut werden. Ich bin ja schon froh, dass Roland Koch sich gerade nicht im Wahlkampf befindet, aber er wird schon (un)würdig von Horst Seehofer vertreten.
Ich finde es geradezu zynisch, so eine Tat als Aufhänger zu nehmen, um mehr Überwachungskameras zu fordern. Überwachungskameras verhindern so ein Verbrechen nicht, sie sorgen lediglich für eine ggf. höhere Aufklärungsquote. Und da gab es in diesem Fall nichts zu erhöhen. Die Täter haben sich weder von der Sicherheitskamera im Zug noch von den 20 Zeugen am Bahnsteig irritieren lassen. Und die Polizei war schon alarmiert, sie war nur nicht schnell genug (das soll nicht als Vorwurf verstanden werden).

Ich möchte auch den Leuten, die zugegen waren, keinen Vorwurf machen, ohne selber da gewesen zu sein. Ich kann nicht sagen, ob man dem Mann hätte beispringen können. So etwas passiert so schnell, dass man unter Umständen gar nicht realisiert hat, was geschieht, bevor es vorbei ist. Bei der Schlägerei im letzten Jahr (die Roland Koch so gelegen kam), dauert es keine 30 Sekunden. In Zeitlupe!

Das Problem ist auch nicht, dass es zu immer mehr Gewalt käme, im Gegenteil, die Zahlen sind sogar rückläufig (siehe u.a. Abschnitt 2 und 2.3.1). Das Problem ist, dass es stellenweise zu heftigerer Gewalt kommt. Und insbesondere, dass es bei manchen keinen „Ehrenkodex“ zu geben scheint. Ich habe mich nie wirklich geprügelt, und hoffe, dass ich es auch niemals muss. Nichtsdestotrotz wusste ich wie jeder andere auch, dass man niemanden schlägt, wenn er am Boden liegt. Wenn es jemand doch tat, hat er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Diese Regel scheint mir teilweise nicht mehr zu gelten.

Ich habe mir gestern das Streitgespräch der Spitzenkandidaten der drei kleinen Parteien (Westerwelle, Trittin und Lafontaine) angesehen. Und ich war positiv überrascht. Den Schmuh von Merkel und Steinmeier am Sonntag habe ich nicht länger als 10 Minuten ertragen können; das war mehr Duett als Duell. (Allerdings auch angenehm zu sehen, dass die beiden Kanzlerkandidaten in der Lage sind, auf sachlichem Niveau miteinander zu reden.)

Ich habe tatsächlich jeder Partei in mehreren Punkten zustimmen können. Lafontaine hat zwar hauptsächlich Blödsinn von sich gegeben, wie üblich, aber in einigen Punkten doch zustimmungswürdiges genannt. Viel mehr überrascht hat mich, dass in vielen Themengebieten, die mir persönlich wichtig sind, Westerwelle und Trittin sich entweder einig oder nicht all zu weit voneinander entfernt waren. Und meiner Meinung oder zumindest nahe dran. Die meisten Unterschiede bestanden im Punkt „Wie finanzieren wir das Ganze?“

Guido Westerwelle war mir noch nie so wenig unsympathisch.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich die folgende Aussage jemals treffen würde:
Schade eigentlich, dass die beiden eine Koalition grundsätzlich ausschließen.

Ich finde es ja eine recht gute Sache, dass die Plakate von rechten Parteien immer seeehr hoch hängen.
Einerseits zeigt das, dass den Idioten klar ist, dass ihre dumme Hetze nicht auf allzu viel Gegenlieben stößt, des weiteren werden die Parolen dadurch schwieriger zu lesen, andereseits aber verhindert das auch, dass die Plakate entfernt werden (was in einer Demokratie wichtig ist).

Und es erlaubt so Dinge, wie die Plakate der gegen rechts gerichteten Parteien drunter zu hängen. Oder so etwas wie das hier:


Lange LeiternLange Leitern

 
Mit bestem Dank an Anja für den Hinweis und Jones für die Fotos!
 

Ich frage mich, wer FDP-Leuten den Floh ins Ohr gesetzt hat, dass es eine gute Idee sei*, auf Wahlplakaten blau-gelbe Krawatten** zu tragen.
 
 
Ja ich weiß, schon wieder Wahlplakatkrempel.

« Vorherige SeiteNächste Seite »