Die lieben Mitmenschen


Vor zweieinhalb Jahren habe ich mich in einem Beitrag über eine Telefonodyssee, die aus einem Stromanbieterwechsel von Yello zu eprimo und folgenden falschen Rechnungen entstand, ausgelassen. Dabei habe ich den Begriff „Servicewüste Deutschland“ verwendet, einen Ausdruck, den ich zwar eigentlich nicht leiden kann, welcher da aber wie die Faust aufs Auge gepasst hat.
Dieser Beitrag ist mit Abstand der meistgelesene in meinem Blog; fast täglich landet da jemand drauf. Es reicht inzwischen aus, nach „eprimo“ und „Problem“ oder „Ärger“ zu googlen. [Das Eis mit Windpocken ist dank der Bildersuche knapp dahinter]

Da ich diesen Begriff aber nunmal überhaupt nicht leiden kann, habe ich mich entschieden, hin und wieder über Oasen in dieser Wüste zu schreiben: Orte, an denen man im Normalfall ausnehmend freundlich behandelt wird und auch mal Dinge tut, die eben nicht der Vorschrift entsprechen oder in den eigenen Zuständigkeitsbereich fallen.

Den Anfang macht das Finanzamt Bonn-Außenstadt.
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Gute Idee: Den Besitzer eines Email-Kontos per Mail darauf hinweisen, dass das Postfach bald voll ist.
Schlechte Idee: Selbiges so oft zu wiederholen, bis tatsächlich kein Platz mehr ist.

[Ja web.de, ich gucke dich an.]

Wir haben uns letztens halb-spontankaufmäßig bei Neckermann ein neues Besteckset bestellt, um mal unsere zusammengewürfelte Besteckschublade etwas einheitlicher zu gestalten. Sieht ganz gut aus, hält sich auch gut in der Hand, alles in allem brauchbar.

Dachten wir.
Nach etwa zweieinhalb Wochen durften wir feststellen, dass die Beschichtung des Bestecks in der Spülmaschine an manchen Stellen abblättert und das Metall darunter anrostet. Ganz toll.

Also haben wir eine höfliche Mail an den Kundenservice geschrieben, dass wir uns erwartet hätten, dass das Besteck auch spülmaschinentauglich sei, und dass wir doch gerne unser Geld zurück oder ein gleichwertiges Set hätten, aber auch für andere Vorschläge offen wären.

Die lakonische Antwort:

Nach erfolgter Prüfung möchten wir Ihnen mitteilen, dass in der Artikelbeschreibung kein Hinweis hinterlegt ist das dieser Artikel für die Spülmaschine geeignet ist.

Einen Umtausch oder Rücknahme können wir Ihnen leider nicht anbieten.

Spülmaschinentauglichkeit ist auch nun wirklich nicht etwas, was man bei Edelstahl voraussetzen kann.

Der Bundestagswahlkampf kommt natürlich -wie auch der Kommunalwahlkampf- nicht ohne eine Reihe durchaus fragwürdiger Plakate aus.
Die ganzen hohlen Sprüche, mit denen man zugeballert wird („Mehr Brutto vom Netto“, „Wir wählen die Kanzlerin“, „Deutschland kann mehr“, „Reichtum für alle!“) werden dabei allerdings von einem Plakat der BüSo (Bürgerrechtsbewegung Solidarität) weit in den Schatten gestellt. Es könnte durchaus den Herrn Knülle noch neidisch machen.
 
Das Plakat, das aussieht, als wäre es vom Parteipraktikanten nach einem dreistündigen Photoshop-Kurs als Hörbuch angefertigt worden, zeigt Helga Zepp-LaRouche, die Kanzlerkandidatin der BüSo (ja, richtig gelesen) vor der Frankfurter Skyline. Das beste an dem Plakat ist aber der Spruch:
 

Wir haben das Patentrezept

 
Ja, nee, is klar.
Ich dachte mir, dass die anscheinend die Selbstironieschiene fahren und hab mich mal informiert.
 
Die meinen das ernst.
Das Ziel von dem Verein ist quasi eine Weltrevolution, zumindest wirtschaftlich. Sie wollen Weltfrieden, so viel Atomkraft wie möglich, die Wiedereinführung der D-Mark und glauben nicht an den Klimawandel. Das habe ich mir nicht ausgedacht.
 
Ich hab das Gefühl, dass das mehr ein Sekte als eine Partei ist.
Sie verstehen sich als Teil der LaRouche-Bewegung, ein Haufen Organisationen, die dem „Politker“ Lyndon LaRouche (das ist der, der Obama mit Hitler verglichen hat, weil er das Gesundheitssystem reformirern will). Ja, die Nachnamensgleichheit mit der Kanzlerkandidatin ist kein Zufall.
 
Zum Glück sind die anscheinend die einzigen, von denen sie ernstgenommen werden. Und mit den Wahlplakaten schaffen sie es bestimmt, auch die Zufallswähler zu vergraulen.

Es war ja leider zu erwarten: Es hat keine zwei Tage gedauert, bis nach der tödlichen S-Bahn-Prügelei vom Samstag die Stimmen der Überwachungsstaatler laut werden. Ich bin ja schon froh, dass Roland Koch sich gerade nicht im Wahlkampf befindet, aber er wird schon (un)würdig von Horst Seehofer vertreten.
Ich finde es geradezu zynisch, so eine Tat als Aufhänger zu nehmen, um mehr Überwachungskameras zu fordern. Überwachungskameras verhindern so ein Verbrechen nicht, sie sorgen lediglich für eine ggf. höhere Aufklärungsquote. Und da gab es in diesem Fall nichts zu erhöhen. Die Täter haben sich weder von der Sicherheitskamera im Zug noch von den 20 Zeugen am Bahnsteig irritieren lassen. Und die Polizei war schon alarmiert, sie war nur nicht schnell genug (das soll nicht als Vorwurf verstanden werden).

Ich möchte auch den Leuten, die zugegen waren, keinen Vorwurf machen, ohne selber da gewesen zu sein. Ich kann nicht sagen, ob man dem Mann hätte beispringen können. So etwas passiert so schnell, dass man unter Umständen gar nicht realisiert hat, was geschieht, bevor es vorbei ist. Bei der Schlägerei im letzten Jahr (die Roland Koch so gelegen kam), dauert es keine 30 Sekunden. In Zeitlupe!

Das Problem ist auch nicht, dass es zu immer mehr Gewalt käme, im Gegenteil, die Zahlen sind sogar rückläufig (siehe u.a. Abschnitt 2 und 2.3.1). Das Problem ist, dass es stellenweise zu heftigerer Gewalt kommt. Und insbesondere, dass es bei manchen keinen „Ehrenkodex“ zu geben scheint. Ich habe mich nie wirklich geprügelt, und hoffe, dass ich es auch niemals muss. Nichtsdestotrotz wusste ich wie jeder andere auch, dass man niemanden schlägt, wenn er am Boden liegt. Wenn es jemand doch tat, hat er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Diese Regel scheint mir teilweise nicht mehr zu gelten.

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